Heimat. Hafen. Sehnsuchtsort. Die Hansestadt ist für Autorin Simone Sever mehr als nur ihr zuhause, für die gebürtige Hamburgerin spielt in „Hamburch“ die Musik, die ihr Herz berührt. Sie verrät uns ihre Hamburg Insider Tipps.
Beim legendären Hans Albers Song „Das Herz von St. Pauli“, stimmt sie am liebsten gleich mit ein auch außerhalb des Millerntor-Stadions des 1. FC. St. Pauli. Heißt es: „In Hamburg, da bin ich Zuhaus’“ werden ihre Augen vor lauter Lokalkolorit schon mal rot. Zum Sonnenuntergang am Elbufer wenn die großen Pötte flussabwärts so manches Mal von Hamburg bis nach Haiti, aufbrechen, hüpft ihr Herz besonders hoch, während Spotify ihre Hamburg-Playlist spielt. Die Welt scheint zum Greifen nah und das nicht nur viele Seemeilen von der Elbmündung entfernt hinterm Horizont der sieben Weltmeere.
Der Hafen, die Lichter, die Sehnsucht begleiten das Schiff in die Ferne hinaus.
Die weite Welt ist auch mitten in Hamburg zu finden. „Hamburg. Hafenstadt. Weltmetropole“, sagen die einen. „Hamburg. Kleinstadt mit Größenwahn und schlechtem Wetter“ murren andere.
Willkommen in der schönsten Stadt der Welt
Die Wahrheit unserer Autorin liegt mittenmang, also irgendwo dazwischen, denn für sie ist Hamburg von jedem ein bisschen: das Dorf, in dem sie die Nachbarschaft beim Einkauf trifft und über einem Straßenschnack gern mal die Zeitvergisst und die Welt, weil sie sich an fast jeder Ecke probieren und studieren lässt. Also „Butter bei die Fische“! meint die Hamburgerin, wenn es gilt zur Sache zu kommen: Wer sich vom Wetter davon abhalten lässt, sich Hals über Kopf in diese „schönste Stadt der Welt“, wie im Hamburger Understatement die knapp zwei Millionenstadt mit Alster und Elbe genannt wird, zu verlieben, der ist einfach selber Schuld! Ihre Hamburg Insider Tipps zeigen, weshalb sie die Stadt so liebt.
Zugegeben, das Hamburger Schietwetter, das mit betongrauem Himmel, Niesel- oder Starkregen nicht allein an den Herbst gebunden ist, kann schon mal ein klitzekleines bißchen auf die Nerven gehen, zeigt es sich auch im Sommer feucht und verhangen. „Hamburg im Regen“, ein Schlager von Mary Roos, der seit 1974 in regelmässigem Turnus Bestätigung findet. Dennoch, meiner Schönen im hohen Norden kann das nichts anhaben, denn diese, meine Stadt, strahlt schließlich auch ohne Sonne und ganz ehrlich.
Hamburg hat deutlich besseres Wetter als häufig gejammert wird. Im Frühling erblüht die grünste Stadt der Bundesrepubik mit 14 Prozent Grün- und Erholungsflächen üppig und macht beinahe Stockholm Konkurrenz. An Japan erinnert im Mai seit 1968 (es sei denn es wird Coronabedingt abgesagt) wird, das alljährlich stattfindende Japanische Kirschblütenfest das die 30-jährige Städtepartnerschaft mit Osaka feiert. Im Goldenen Oktober kann es Hamburg locker mit dem Indian Summer der US-amerikanischen Ostküste aufnehmen, wenn sich die etwa 250.000 Bäume der grünen Metropole ins richtige Licht setzen.
Denn er muss aus Hamburch sein …
Im Blitzlicht erstrahlt seit der Eröffnung im Januar 2017 die Elbphilharmomie. Das musikalische Wahrzeichen der Stadt, das im Vergleich internationaler Konzerthäuser mit ausgezeichneter Architektur wie etwa die Chinesische Nationaloper in Peking oder das Sydney Opera House mithalten kann. Mitten im Hafen überragt es nicht nur die ankommenden Luxusliner.
An manchen Abenden steht neben den konzertanten Werken auch kostenloses Drama auf dem Programm, wenn beim Blick von der für Besucher kostenfreien Plaza der Sonnenuntergang schon mal besonders kitschig daher kommt. Wer je die feurigen Lichtspiele in den Wolken – ja, häufig sind da Wolken und das ist auch gut so! – über den Hafenkransilhouetten bestaunen durfte, der weiß, was Hamburger Drama ist, der kann sich doch nur schockverlieben in diese großartige Stadt.
An einem dieser spektakulären Sonnenuntergänge, als einmal der Himmel in der gesamten Rot-Palette zu brennen schien, wurde sogar mal die Feuerwehr gerufen. Das kann nur ein Zugereister gewesen sein, der die Schönheit nicht erkennen konnte…
Ein jeder … kann das nicht, denn er muss aus Hamburg sein.
Besonders intensiv leuchtet im Abendrot „Die rote Stadt“ wie Boris Meyn die Hamburger Speicherstadt in seinem historischen Kriminalroman, der im Jahr 1886 spielt, nennt. 2015 wird das weltweit größte zusammenhängende Hafenspeicherhauskomplex zum Unseco-Weltkulturerbe ernannt. Eine Barkassenfahrt durch diese Backsteinromantik gehört zu Hamburg wie das Wasser, das unter den 2.500 Brücken fließt, übrigens stellt Hamburg Venedig, was die Anzahl der Brücken angeht, damit deutlich in den Schatten.
Berge?! Lieber ans Wasser!
Noch mehr La Serenissima-Feeling kommt bei einer Fahrt mit einer echten venezianischen Gondel auf. Hamburg macht auch das möglich. Alles schafft die Stadt an der Elbe aber auch nicht. Berge sind ziemlich unterpräsentiert in der Hansestadt, wobei es den Hamburger Berg und auch Bergedorf gibt. Hamburgs herausragendste Landschaftserhebung, der Hasselbrack in den Harburger Bergen, ist zumindest 116 Meter hoch. Aber mal ehrlich, wer braucht Berge, wenn der Hafen mitten in der Stadt liegt.
Also zurück ans Wasser! Mit einer Weltreise an nur einem Tag lockt das Miniatur Wunderland die ganze Familie in die immer größere Ausstellung und ist längst über alle Grenzen bekannt. Die länderübergreifende Kirmes, die im Juni 2020 neu eröffnete, ist der neueste Clou der Eisenbahnwelt. In Hamburg nennt man Kirmes übrigens Dom und das, weil auf dem Heiligengeistfeld bis zum Jahr 1805 der Alte Mariendom stand. Mit derlei Wissen kann man übrigens den einen oder anderen Hamburger so richtig begeistern. Nichts liebt der Einheimische mehr, als Besucher, die seine Stadt ehren!
Wenn Du von Süden kommst, ist Hamburg direkt vor Grönland
Ein paar Schritte weiter, wo einst Rinder und Schafe gehandelt wurden, liegt heute das kulinarische Einkaufsparadies des Schanzenviertels. In der Rindermarkthalle treffen sich zum Wochenendeinkauf nicht nur die Anwohner des Viertels. Von Bio bis vegan, von Alkohol bis Schokolade, von Blumen bis Waguy … zwischendurch ’ne Stulle von Brot & Stulle auf die Hand und los geht’s zur Shoppingtour durch die Schanze und durch das Karoviertel.
Lustige singende Flamingos, bunte Vögel als Anstecker oder Servietten mit freundlicher message, also viel bunt verspieltes das man „dringend“ benötigt, ist im Karolinenviertel Vis-à-Vis der Rindermarkthalle bei Snaps zu finden. Ähnlich bunt, wenngleich auch elegant und very sophisticated, sind die kleidenden Angebote bei Herrn Eden, der mit seinen farbschönen Zweiteilern schon Jan Delay angezogen hat. Weiter Richtung Schanzenviertel in die Bartelstraße, wo im Minimarkt das Warenangebot eher minimalistisch und hygge ist: Schwedische Wolldecken, dänische Designerkerzenleuchter … ein Blick in die Schaufenster ist immer auch Neuinspiration für zuhause.
Nur wenige Schritte entfernt sieht man von Mittwoch bis Samstag hin und wieder Menschen Schlange stehen. Warum? Ein Blumenladen verkauft ohne viel Schnick Schnack, das, was die LKW aus den Niederlanden nach Hamburg fahren konnten und was der kleine Laden schlucken kann. „Tulpen aus Amsterdam“ auch fürs Hotelzimmer. Immer mittwochs geht’s los, so lange bis alle Blumen verkauft sind. Der halale Schlachter, der Obst- und Gemüsemann an der Ecke, die einheimischen türkischen Mütter, die man vom Spielplatz kennt, die Restaurants Lokmam und Pamukkale … wenn die Temperaturen die 25 Grad Celsius überschreiten, ist dies genau die richtige Ecke für türkisches Lebensgefühl.
Inshallah Hamburg, meine Perle!
Wenn Du von Norden kommst liegt Hamburg in Afrika
Die Straße hoch thront Hamburgs beliebtester Störfaktor, das Autonome Zentrum Rote Flora. Nur wenige Meter vom Transit, einer südostasiatischen Tapasbar entfernt, in der sich das mitteljunge und stylische Publikum, unter roten Lampinons vielversprechende Appetithappen wie „My Ex“, „Duck in Pyjamas“, „Almost Nude“ servieren lässt. Im Transmontana auf der Piazza gegenüber verführen portugiesische Natas, diese köstlichen Blätterteigtörtchen mit Pudding, Touristen und Ansässige gleichermaßen. Das Bistro Carmagnol in der angrenzenden Juliusstraße kann französische Küche, Artischoken, Espresso-Martinis und noch viel Meer und manchmal ganz schön schanzigschick wirken.
Auf dem Weg Richtung Hafen wird es uriger, denn da liegt Schorsch, Hamburgs wohl berühmteste Currywurstbude. Im engen schlauchartigen Büdchen wird die Currywurst unbedingt scharf geordert, der Durst stilgerecht mit einem Astra oder einer Ananas-Anjolabrause gelöscht. Extra-Scharf bestellen hier nur die ganz Harten, vielleicht ja die Tätowierer von „187 Ink“, dem Tattooshop um die Deutsch-Rapper von „187 Straßenbande“ und dem flächendeckend bemalten Gzuz, dessen bürgerlicher Name eigentlich Kristopher Klauß lautet.
Was los, Hamburg, ahnma‘
Kristopher aka Gzuz, das steht für Ghetto-Zeug unzensiert, ist im Beginner Song „Ahnma!“ von Lokalmatator Jan Delay – der, der sich auch gern bei Herrn Eden im Karoviertel einkleidet – neben den sympathischen Größen, dem legendären Fussballer der sechziger Jahre und damals bestem Mittelstürmer der Welt, Uwe Seeler und dem deutschen Reggae-Musiker Gentleman zu sehen.
Bei warmem Wetter dröhnt seit dem Sommer 2016 „Was los, Digga, ahnma’“ diese Hamburg Hymne gern durchs Viertel. 30 Jahre früher erkannte auch Bernd Begemann das Potenzial der Hafenstadt und brannte die Zeile „Unten am Fluss, unten am Hafen, wo die großen Schiffe schlafen“ in so manch Hamburger Gedächnis. Mit Blick auf die schlafenden Schiffe begrüßt das Salt & Silver Lateinamerika seine Gäste.
Bienvenidos, liebe Freunde der lateinamerikanischen Geschmacksakrobatik.
Erst einen Pisco Sour, dann ein Menu del Mare mit Jacobsmuscheln, Leche de tigre, mit Schmorgurken-Tempura und Seeteufel … to die for!
Hamburg Insider Tipps nahe der Reeperbahn
Zum Sterben schön und lecker sind auch die dreiteiligen Überraschungs-Flights, die im The Chug Club, einer Cocktailbar im Herzen St. Paulis, als flüssige Kunstwerke Tequila und Mezcalbasiert serviert werden und an Mexiko denken lassen. Das Motto: Chug yourself! Unbedingt den Thyme Machine mit Mezcal und Blaubeer-Vodka, den Buttermilch Margarita mit Tequila Reposado und Agavensirup, den Catch me if you can, Death by Erdnuss, Give Peach a Chance … kosten. Dann mal Prost!
„Auf der Reeperbahn nachts um halb eins …“ und der kleine Hunger quält? Nichts ist irgendwie typischer St. Pauli und Schanze und Hamburch als früh morgens nach durchzechter Nacht ein klassisches Mettbrötchen oder eine echt große Portion Bauernfrühstück bei Erika’s Eck zu vertilgen. Hier, wo sich noch in den 80ern die Zeitung lesenden Schlachter neben Nachtschwärmern der naheliegenden Clubszene zum Frühstück trafen, sieht man zwar heute keine blutbeschmierten Kittel mehr, die belegten Brötchen sind aber immer noch legendär. Der Kaffee kommt im Becher.
Nach dem Cocktail ist vor dem Kaffee
Kaffee können Hamburger übrigens und das auch schon seit mehr als 150 Jahren, wie zum Beispiel das Kaffee-Museum in der Speicherstadt wissen lässt. Viele Cafés servieren den dunklen Wachmacher inzwischen mit einer Menge Zusatzwissen und in wahrer Barristaqualität. Im Schanzenviertel liegen Vis-à-Vis gleich zwei Kaffeekönner. Das gemütliche Nachbarschaftscafé Kopiba punktet mit eigener Röstung.
French Press, Latte, Espresso, Macchiato … you name it! Mit viel Liebe zum Detail wird jeder Kaffee wie ein Kunstwerk behandelt. Die selbstgebackenen teils veganen Kuchen sind ebenfalls köstlich. Wer einen richtigen Wachmacher braucht, bestellt Deathpresso, der mit dem Untertitel „Schlafen kannste wenn du tot bist“ daherkommt.
Geschichtenerzähler
Wer viel weiß, hat viel zu erzählen und das Hamburger Schanzenviertel kennt jede Menge Stories. Etwa die Geschichten der Hamburger Juden und von all den anderen, die von den Nazis deportiert und ermordet wurden, deren Namen in den Stolpersteinen von Gunter Demnig vor so manchem Haus nicht nur in diesem Viertel zu finden sind. Die Geschichte vom Schulterblatt eines Wals, das als Erkennungszeichen über einem Wirtshaus hing und der Hauptschlagader des heutigen Viertels seinen Namen verliehen hat.
Und wem die Gehplatten mit A I H an der Schanzenstraße, dem Schulterblatt und der Piazza auffallen, dem sei erklärt, dass es sich hierbei um die Grenze von Altona und Hamburg handelt, die im 18. Jahrhundert hier verlief. Damals war Altona noch unter dänischer Regentschaft und lag „all to nah“ (also allzu nah) an Hamburg.
„In Hamburg sagt man Tschüss“
Fehlt eigentlich nur noch Insel- oder Karibikfeeling um die Weltreise in der schönsten Stadt der Welt rund zu machen. Wie das funktionieren soll? Man stelle sich das so vor: die nackten Füße im warmen Sand, dazu ein erfrischendes Getränk. Klingt nach Island in the Sun und fühlt sich genau so an, wenn die Füße im Elbsand stecken, die Sonne brennt, das Alsterwasser (so nennt man in Hamburg die Mischung aus Bier und Limonade) schmeckt und es plötzlich dunkel wird. Ein Containergigant hat sich vor die Sonne geschoben nur ein paar Meter von den nackten Füßen entfernt, ragt das Riesenschiff bis fast in die Wolken. Der beste Platz für derartige Szenarien ist die Strandperle, die Mutter aller Hamburger Beachclubs.
Aber auch Strandpauli, ein Beachclub, der sich mitten im Hafenpanorama platziert hat, bietet beste Aussichten. Kunderbuntes Mobiliar, chillige Musik und wieder kommt ein Schiff vorbei.
Unten am Fluss, unten am Hafen …
bis die großen Schiffe schlafen. Und wenn dann der Regen einsetzt, warten Hamburger auf besseres Wetter, „denn wir lassen uns die legendäre Stimmung nicht verderben.“ Und so lange hören wir Hans, Lotto, Udo, Jan, Heidi, Mary und all die Lieder, die Hamburg mitten ins Herz treffen.
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