Die Welt ist sein Zuhause. Für das bekannte, deutsche TV-Format „Galileo“ reist Christoph Karrasch rund um den Globus. Dabei ist kein Land zu exotisch und keine Aufgabe zu abwegig. So handelt sein erstes Buch „#10Tage: In zehn Tagen um die Welt“ auch von einer zehntägigen Weltreise, über deren Route er seine Follower entscheiden ließ.
In Pandemiezeiten hat der 37-jährige Reisejournalist und Fernsehmoderator nun sozusagen den Spieß umgedreht und die große weite Welt in Deutschland besucht. Nachzulesen in seinem zweiten Buch „San Francisco liegt am Rhein“ – eine entschleunigte und äußerst fotogene Reise durch sein Heimatland mit überraschend exotischen Entdeckungen. Oder wusstet ihr, dass Russland und Amerika in Ostfriesland, hoch oben im Norden Deutschlands, direkt nebeneinander liegen?
Eine Weltreise in Deutschland … auf die Idee muss man erst einmal kommen. Wie kam es dazu?
Als ich meinen Sommerurlaub 2020 coronabedingt nicht wie geplant in den USA, sondern in Ostfriesland verbracht habe. Dabei bin ich auf die beiden Ortschaften Amerika und Rußland gestoßen, die dort direkt nebeneinander liegen. Als Kieler fiel mir daraufhin ein, dass es bei uns oben an der Ostsee die Orte Kalifornien und Brasilien gibt – und schon saß ich vorm Laptop und habe geschaut, ob das nicht funktionieren könnte: eine Weltreise durch Deutschland zu machen, jetzt, wo die echte Welt gerade so weit weg ist. Und siehe da, es gibt Rom und Bethlehem, Kamerun, Neu-Seeland, Alpen und Sibirien… Da war sofort klar: So eine Reise muss ich machen!
Da stellt sich als Leser direkt die Frage, wer auf die Idee gekommen ist, einen Ort an der Ostsee Brasilien zu nennen. Erfährt man im Buch auch die Geschichten hinter den exotischen Ortsnamen in Deutschland?
Das war mir unterwegs sogar einer der wichtigsten Parts, weil ich ahnte, dass bei der Namensfindung oft lustige Anekdoten und gute Legenden schlummerten. Kalifornien an der Ostsee soll zum Beispiel so heißen, weil ein Fischer früher eine angespülte Schiffsplanke mit der Aufschrift „California“ am Strand gefunden und sich an die Hütte genagelt haben soll. Sein Nachbar soll dann gesagt haben, „Was der Angeber kann, kann ich schon lange“, und hat sich ein Schild mit „Brasilien“ gebastelt. Klingt nach Seemannsgarn, ist aber eine Superstory.
Oder die Geschichte hinter Amerika in Ostfriesland: Um 1820 planten die ersten Menschen aus der Gegend ihre Auswanderung nach Amerika, mussten dann aber in Bremerhaven feststellen, dass sie sich das Schiffsticket gar nicht leisten konnten. Also sind sie wieder zurück in die Heimat und haben dort auf einer großen Weidefläche ihr eigenes Amerika gebaut. Ich liebe solche Geschichten!
Bist du zufrieden mit der Auswahl deiner Ziele für die Tour? Auf Anhieb würde mir das ein oder andere weitere Ziel mit exotischem Namen einfallen …
Ich wollte eigentlich noch viel weiter reisen, weil ich längst noch nicht alle „Weltorte“ in Deutschland besucht hatte. Aber die Reise fand im letzten Herbst statt, und als die Corona-Zahlen Mitte Oktober wieder deutlich nach oben gingen und man auf touristische Reisen verzichten sollte, bin ich doch früher als geplant wieder nach Hause gefahren. Aber das finde ich gar nicht schlimm. So sind für die Leser:innen noch ein paar Orte zum Selberentdecken übrig.
Hast du auch Orte besucht, die es dann nicht ins Buch geschafft haben, weil man dort niemanden mit gutem Gewissen hinschicken kann, weil es sich einfach nicht lohnt?
Genau diese Frage war Teil des Experiments: Der Ort Bethlehem im Allgäu ist 350 Meter lang, in Brasilien leben keine 20 Menschen. Was soll man da schon erleben? Es hätte durchaus passieren können, dass die Erlebnisgewalt recht gering ist. Aber nein, ich habe keinen Ort aus dem Buch gestrichen, weil ich gemerkt habe, dass es sich durchaus auch gut erzählen lässt, wie es ist, in einem Ort wirklich nichts zu erleben.
Alpen am Niederrhein war so ein Ort. Da war wirklich gar nichts los. Ich wusste überhaupt nicht, wie ich aus dem Tag noch irgendwas Wertvolles rausholen sollte… Aber am Ende wurde es dann durch glückliche Umstände und ein wenig Kreativität doch noch einer der schönsten Tage der Reise. Warum, verrate ich hier natürlich nicht.
Die Weltreise in Deutschland, die du im Buch beschreibst, ist sie dafür gedacht, sie genauso nachzureisen. Also eine echter Roadtrip?
Ja, absolut. Dass man jetzt wirklich die ganze Tour machen muss, würde ich nicht sagen. Aber es sind ganz viele echte Urlaubstipps dabei: Kalifornien und Brasilien an der Ostsee sind vollwertige Urlaubsorte mit feinem Sandstrand und sämtlichen Unterhaltungsangeboten, durch die einem auch während eines zweiwöchigen Urlaubs nicht langweilig wird. Die Südsee in Xanten in NRW ist ein superschönes Naherholungsgebiet mit Bastschirmchen, Cocktailbar, Beachvolleyballfeldern und Wasserskianlage – und der Geysir von Andernach in Rheinland-Pfalz, den ich im Buch als „Island in der Eifel“ bezeichne, ist der höchste Kaltwassergeysir der Welt. Es ist ein absolutes Spektakel, wenn der 50 Meter hoch losprustet. Wer hätte gedacht, dass es so was in Deutschland gibt?
Welcher Ort hat dich am meisten überrascht?
Am meisten fasziniert hat mich der Besuch in Little Tokyo, dem japanischen Viertel in Düsseldorf. Ich fiel gerade erst aus dem Hauptbahnhof, da war ich schon sofort Lost in Translation – wegen japanischer Schriftzeichen, bunter Lampions, Manga-Cafés und Karaokebars. Anders als die anderen Orte der Reise, die ja oft nur mit den Klischees rund um die großen Namensgeber spielen, hat man in Little Tokyo plötzlich die echte große weite Welt mitten in Deutschland. Little Tokyo ist die drittgrößte japanische Gemeinde in Europa und eines meiner absoluten Highlights meiner Weltreise.
Wenn dich jemand aus dem Ausland fragen würde, was man in Deutschland unbedingt besucht haben sollte, wäre deine Antwort …
.. den Kalimandscharo in Sachsen-Anhalt, der höchste Berg zwischen Magdeburg und Ostsee. Er heißt nicht nur fast so wie der höchste Berg Afrikas, der Aufstieg kann unter Umständen auch fast so kräftezehrend werden, wenn nämlich das Wetter plötzlich umschlägt. Das musste ich am eigenen Leib erfahren.
Auch dein erstes Buch handelt von einer Weltreise. Einer, wenn man das so sagen darf, ziemlich irrsinnigen Reise. Denn du bist in zehn Tagen um die Welt gejettet – aus Umweltgesichtspunkten und in Bezug auf den Klimaschutz heute eher undenkbar. Dein zweites Buch beschreibt eine sehr viel langsamere und leisere Art des Reisens. Welches Projekt hat dich mehr berührt?
Die beiden Reisen könnten gar nicht weiter voneinander entfernt sein. Die 10-Tage-Weltreise war krass und laut und natürlich auch ein riesiges Erlebnis, aber ich schaue jetzt, sieben Jahre später, nicht unbedingt stolz darauf zurück – aus den von dir genannten Gründen. So eine Reise wäre heute gar nicht mehr akzeptabel. Insofern freue ich mich, dass das neue Buch eine schöne, leise Reise dokumentiert, die trotzdem ein spannendes und erlebenswertes Deutschland zeigt. Ich glaube, dass dafür gerade genau die richtige Zeit ist.
Absolute Empfehlung und eine perfekte Sommerlektüre: San Francisco liegt am Rhein von Christoph Karrasch im ullstein Verlag, 240 Seiten, ISBN: 9783548065038, €12,00