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Street Art in Köln Ehrenfeld
Bilderblitz / KölnTourismus GmbH

Streetart Walking Tour in Köln Ehrenfeld

Text
Marie Tysiak

Köln ist kreativ, das ist klar. Das Epizentrum der hippen Macher, Künstler und Träumer: Ehrenfeld im Westen der Stadt. Unzählige Häuserwände sind geschmückt mit großformatigen Murals. Am schönsten bestaunt ihr die Graffitis bei einem Spaziergang durch das Veedel. Wir zeigen Euch die buntesten Straßengemälde, die ihr bei einer Streetart Walking Tour in Köln Ehrenfeld entdecken könnt. 

Wer schon einmal am Bahnhof Ehrenfeld im Kölner Westen ein- oder umgestiegen ist weiß: Dieses Veedel ist bunt! Und schon im Bahnhof erwarten euch bunte und kreative Graffitis. Doch: Es lohnt, auch mal, in die kleineren Seitenstraßen zu gehen, die von abgerockten Altbauten gesäumt sind und ein wenig an Manchesters Northern Quarter erinnern. Wer weiß wo, findet in Ehrenfeld Graffiti-Kunst von weltbekannten Streetart-Künstlern. 

Außenfassade der Stapelbar in Ehrenfeld mit viel Graffiti
Marie Tysiak

Dick eingepackt nach Köln Ehrenfeld

Der Thermobecher ist gefüllt mit duftendem Kaffee, die Füße stecken in zwei Paar Wollsocken und Winterboots. Ich bin also bestens vorbereitet, aus diesem grauen und eiskalten Corona-Samstag im Januar ein buntes Vergnügen zu machen! Denn: Für eine Streetart Walking Tour durch Ehrenfeld braucht es nichts weiter als ein wenig Lauflaune und eineinhalb bis zwei Stunden Zeit, wer mag auch mehr. Und Graffitis, die gibt es tatsächlich genug, wörtlich an jeder Ecke. Online werden zum Beispiel von der Stadt Köln, „Rausgegangen“ oder auch von „Mit Vergnügen Köln“ verschiedene Routen vorgeschlagen. 

Mr. Trash: „Fallen Angels“ (Hackländerstraße 2)

Ich habe mich für letztere entschieden – laufe aber, wie es mir am besten passt und stehe nun also vor dem ersten Werk an der Ecke Hackländerstraße/Marienstraße unweit nördlich des Bahnhofs. Über der unscheinbaren Kreuzung prangt an dem gelben Eckhaus das Kunstwerk „Fallen Angels“ des Kölner Graffiti-Künstlers Christian Böhmer, in der Szene besser bekannt als „Mr. Trash“. Zu sehen: eine Frau und ein Mann, Papiertüten über ihren Köpfen, die Rücken an Rücken auf ihre Handys starren. Amors Pfeile stecken unbeachtet im Hemd des Herrn, der Liebesengel selbst liegt erschöpft auf der Häuserbordüre, wie der Titel des Kunstwerks erahnen lässt. 

Zwei Menschen mit Papiertüten stehen Rücken an Rücken und starren auf ihr Handy, Amorpfeile stecken in ihrem Bauch. Street Art Werk von „Mr. Trash“
Marie Tysiak

Was uns dieses Bild sagen will? Nun, mir zumindest schreit es entgegen:

Kopf hoch, Hände weg vom Handy, sonst verpasst du vielleicht die Chance deines Lebens!

Und ich fühle mich ertappt – denn auch meine Bildschirmzeiten erschrecken mich immer wieder, seit mein neues Handy mir sie immer mitteilt. Corona hin oder her. Andere sehen vielleicht den Verlust spiritueller Mächte in dieser Streetart oder Kritik am Internet allgemein – dafür ist Kunst ja da. In jedem Fall kein Zufall: Unten im Haus befindet sich das „Lokal K“, welches Treffpunkt der Kölner Wikipedia-Community ist. 2015 brachte Christian Böhmer sein Werk an der Hackländerstraße 2 an. 

Herakut: „Ohne dich würd ich mich nicht trauen“ (Venloer Straße 429)

Weiter geht’s. Durch ruhige Nebenstraßen laufe ich die Marienstraße – parallel zur Hauptstraße –  vorbei an heruntergerockten Backsteinhäuser, die seit einem guten Jahrhundert dem Druck nach teuren Neubauten trotzen. Anti-kapitalistische Parolen kleben an den Fenstern. An der Lessingstraße biege ich nun doch ab, und finde mich wenige Schritte später vor der – auch für Corona – geschäftigen Venloer Straße wieder. Gegenüber springen mir im Leo-Amman-Park gleich einige Werke ins Auge. Zwei von ihnen sollte man sich bei einer Streetart Walking Tour in Köln Ehrenfeld unbedingt genauer ansehen. 

Street Art von Künstlerduo „Herakut“
Marie Tysiak

Wenn man durch den Torbogen in den kleinen Park tritt, prangt zu seiner Linken ein Mädchen mit einem Hund auf dem Arm – das Graffiti ist gigantisch. „Ohne dich würd ich mich nicht trauen“ ist eines der ersten Kunstwerke, die seit 2011 im Rahmen des City Leaks Festival für Urbane Kunst in Köln die Stadt bereichert. Seither findet das Festival alle zwei Jahre statt und schmückt Köln immer wieder mit neuen Werken. Hotspot: Ehrenfeld natürlich. Gemalt hat dieses Graffiti niemand anderes als das Künstlerduo „Herakut“, das zu Deutschlands bekanntesten Streetart-Künstlern zählt. Die oft großformatigen Werke von Jasmin Siddiqui und Falk Lehmann finden sich in Städten auf der ganzen Welt. 

Der Stil hat hohen Wiedererkennungswert: Oft, wie auch bei diesem Werk, sind Menschen dramatisch in Szene gesetzt, die Augen groß und melancholisch. Nicht selten komplementieren Tiere und ein poetischer Spruch das Mural. So hält auch hier das Mädchen mit den großen dunklen Augen einen Hund in Babykleidung, daneben steht der Titel des Werkes geschrieben „Ohne dich würd ich mich nicht trauen“. Leider hat jemand mit einem neuen Graffiti die Füße und Beine des Mädchens überdeckt. Auch das ist Teil von Streetart – sie wandelt sich. Doch ein wenig respektlos finde ich es schon, bei so einem tollen Kunstwerk. Was das Mädchen sich wohl traut? Mir wird etwas frisch und ich löse mich von dem Bild. 

L.E.T:: „Kleiner trotziger Junge“ (Leo-Amann-Park)

Doch bevor ich in das schöne Café gegenüber schlüpfe, um mir einen neuen Vorrat wärmenden Kaffee zu besorgen, entdecke ich mein Lieblingsbild für diesen Tag: An der Außenmauer des Parks schmollt mir ein kleiner, schwarzer Junge entgegen. Auf seinem Pullover liest man bei genauerem Hinsehen: „I will never say what you want to hear”. Das Stencil – das also vorher auf einer Schablone feinsäuberlich ausgeschnitten und so anschließend Schicht für Schicht aufgetragen wurde – zieht einen sofort in seinen Bann. Heute schmückt eine grüne Wand dramatisch den Hintergrund, die allerdings 2012 kein Teil des ursprünglichen Werkes des Düsseldorfer Künstlers „Les Enfants Terribles“ (L.E.T.) war. Die Message des Bildes bleibt auch heute in der aktuellen Rassismus-Debatte wichtigere denn je. 

Nun gönne ich mir aber im hippen Café Rotkehlchen, das seine Leckereien aufgrund des Lockdowns to-go verkauft, einen großen Latte Macciato und ein köstliches Stück frisch gebackenes Bananenbrot. Um die kurze Wartezeit in dem aufgeheizten Ladenraum bin ich nicht böse und mache mich also frisch gewärmt und gestärkt weiter auf gen Bahnhof. Denn rund um die Station finden sich einige tolle Werke, die ich auf meiner Walking Tour erkunden mag.

ROA: „Hängender Hase (Senefelder Straße 4-6) 

Zugeben, das nächste Werk ist nichts für schwache Nerven. Nur wenige Schritte von der Venloer Straße, gleich gegenüber einer schönen Galerie, hängt an einer Häuserwand ein riesiger Hase. Gehäutet. Das Graffiti des belgischen Künstlers ROA ist ebenfalls 2011 im Rahmen des ersten City Leaks Festivals entstanden. In der Galerie gegenüber spielen zwei Männer seelenruhig eine Runde Schach. Das Bild des enthäuteten Hasens, der mich an die Schattenseiten der Fleischindustrie aufmerksam macht, begleitet mich noch ein paar Straßenzüge.

Grafitti des belgischen Künstlers ROA an Hauswand in Köln
Marie Tysiak

Rund um den Bahnhof werden die Themen nicht weniger brisant – eher das Gegenteil. Aber auch das ist eine Intention von Streetart – auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam machen und der Straße eine Stimme geben. Hinterm Bahnhof Ehrenfeld, gleich dort, wo hunderte Fahrräder sich stapeln, wird einer dieser Stimmen der Straße gedacht. 

Captain: Edelweißpiraten (Schönsteinstraße 1a)

Auf meiner Streetart Walking Tour in Ehrenfeld stehe ich also nun vor einem sehr kölschen Werk. Über gleich mehrere Wände und Säulen verteilen sich die Werke des Künstlerkollektivs Captain, die den Kölner Edelweißpiraten gedenken. Die oppositionellen Jugendlichen stellten sich in Köln aktiv gegen das NS-Regime – viele von ihnen wurden dafür an ebendieser Stelle hingerichtet. Ihre Namen sind in den weißen Blüten zu finden. Hier bleibe ich einige Minuten – es gibt viel zu sehen, lesen und einzunehmen. Es ist kaum zu glauben, dass diese Geschehnisse, an exakt diesem Ort, noch kein Jahrhundert zurückliegen.

Street Art in Köln Ehrenfeld erinnert an die Kölner Edelweißpiraten
Marie Tysiak

Wer sich weiter mit der NS-Zeit in Kölner Murals beschäftigen möchte, sollte unbedingt dem Werk „Surveillance of the fittest“ am Ehrenfeldgürtel 95 einen Besuch abstatten!

Guapo Sapo – drei Kunstwerke (Heliosstraße 2)

Ich laufe durch den bunt bemalten Tunnel unter den Gleisen hindurch und biege in die Heliosstraße ab. Gleich zur Rechten, gegenüber des Leuchtturms, leuchten drei Kunstwerke an der Mauer – eines farbenfroher als das nächste. Zwei Mädels machen grinsend Selfies vor der bunten Kulisse. Am meisten beeindruckt mich das Werk von Alexander Isakov, der Teil des Kollektivs Guapo Sapo ist. 2017 im Rahmen des City Leaks Festivals entstanden, malte der Hannoveraner das Gemälde mit Pinsel auf die Wand – bloß mithilfe eines Lineals und einer Strichschablone. Sein erschaffener Tempel ist der Wahnsinn. 

Street-Art-Gemälde: Tempel an Wand in Köln Ehrenfeld
Marie Tysiak

Wer möchte, kann sich nun entscheiden. Am Ende der Straße wartet mit „Matriarchy“ ein spannendes, nicht leicht verständliches und eindrucksvolles Mural. Wer hingegen die Venloer Straße weiter hinunterschlendert, findet gleich eine ganze Reihe von Kunstwerken und kann zu den Werken im Belgischen Viertel weiterziehen. 

Doch mir reicht es für heute. Es wird kalt und bald beginnt es zu regnen. Für mich war’s das – doch ich freue mich schon, am nächsten grauen Corona-Samstag den Rest der Tour zu laufen und mich von der Streetart Walking Tour in Köln Ehrenfeld überraschen zu lassen! Und vielleicht schau ich ja beim nächsten City Leaks Festival mal persönlich vorbei, wenn die großen Streetart-Künstler diese Stadt und Ehrenfeld wieder ein Stück bunter machen. 

Info. Die folgende Route findet ihr abgewandelt bei Mit Vergnügen Köln. Wer möchte, kann (nach dem Lockdown) auch an einer geführten Free Walking Streetart-Tour durch Köln Ehrenfeld teilnehmen.