Deutschlands berühmtestes Mittelgebirge ist spätestens seit der Schwarzwaldklinik fest in unseren Köpfen verankert. Der Schwarzwald ist aber mehr als Brinkmann und Bollenhut. Nämlich: Käse. Und das routenweise. Redakteurin Jasmin hat sich auf die Käseroute durch den Südschwarzwald begeben. Spoiler: Lecker war es!
Schwarzwälder Schinken, Schwarzwälder Kirschtorte, Schwarzwaldforelle. Die Regionalität ist im Schwarzwald kulinarisch sogar fest im Namen verbaut. Aber auch bei weniger regional-plakativen Köstlichkeiten, wie Maultaschen, Flädlesuppe oder Käsespätzle, läuft nicht nur den Locals das Wasser im Mund zusammen.
Apropos Käse
Zugegeben: Auf den ersten Blick ist Käse nicht das Erste, was mir beim Gedanken an den Schwarzwald durch den Kopf schießt. Da würde ich mich gedanklich eher in Richtung Allgäu futtern. Neu ist die Käseherstellung im Schwarzwald aber nicht. Schon im Mittelalter wurde auf vielen Bauernhöfen aus Kuh- und Ziegenmilch Käse gemacht. Seitdem hat sich hier aber einiges getan. Auch im Schwarzwald. Käse ist heute nicht mehr nur Lebensmittel, er ist Genuss und bei vielen auch ein bisschen Lifestyle. Er spricht alle Geruchs- und Geschmacksknospen an. Im Guten wie im Schlechten. Er scheidet Geister und verbindet Brothälften.
Und dennoch, das Mittelalter ist vorbei, lang leben die Schwarzwälder Käsetraditionen! Also wieder. Denn lange Zeit gerieten sie fast in Vergessenheit. Aber genauso wie leidige Modetrends: Alles kommt wieder. Hier zum Glück, möchte ich sagen. Denn Käse ist immer eine gute Idee. Finde ich jedenfalls.
Schatzsuche auf dem Peterle Hof
Und nicht nur ich. Das dachten sich auch einige Käsebetriebe im Naturpark Südschwarzwald und schlossen sich zu einer Käseroute zusammen. Und das ist mehr als ein wahr gewordener Traum für Laktosefans. Denn hier ist Wissen, Leidenschaft und Liebe im Spiel. Dabei sind käsige Spezialitäten für jeden Geschmack oder Körper herausgekommen. Körper? Ja, dazu später mehr. Start meiner Tour auf der cremig bis würzigen Käseroute ist der Peterle Hof in Baiersbronn, genauer gesagt im idyllischen Murgtal ganz am Rand des Schwarzwalds. Dort hat Ziegenbauer Michael Peterle nach einer Station im Elsass seine Heimat gefunden. Seit 1993 führt er zusammen mit seiner Frau Katja den Hof. Dabei: viele Ziegen und Hühner und eben alles, was dazugehört.
Viel Arbeit in erster Linie, denn der Peterle Hof ist ein Ein-Mann-und-eine-Frau-Betrieb. Etwa 40 Ziegen geben die Milch für den Schatz des Hofs. Und dieser Schatz ist ziemlich lecker, es ist nämlich Ziegenkäse mit Dost. Der „Baiersbronner Schatz“ vom Peterle Hof variiert in seinem Aroma je nach Zeitablauf von cremig-mild bis fest-würzig. „Das Aroma des Käses erinnert mich immer ein wenig an einen Sommertag im Schwarzwald, wenn die Wiesen blühen und ich an einer warmen Sandsteinmauer am Waldrand vorbeilaufe“, sagt Michael und schmunzelt dabei. Ich auch. Denn vielleicht ist das eines der schönsten Zitate, das einen Käse beschreiben könnte. Wer jetzt direkt nach Baiersbronn möchte: Dieser Baiersbronner Schatz ist nur in den Monaten Mai bis Oktober erhältlich.
Aus der Schweiz in den Schwarzwald
Ich hänge dem Geschmack des Ziegenkäses noch ein bisschen nach, während ich schon auf dem Weg zur nächsten Station bin. Es geht zu Connis Käsemanufaktur auf dem Schwenkenhof nach Lossburg. Cornelia „Conni“ Reich beeindruckt mich auf den ersten Blick. Konzentriert und ruhig erzählt sie ihre Geschichte, behält dabei aber all das Geschehen auf ihrem Hof im Blick. Eigentlich hat sie nicht so richtig Zeit, Fachfremden das Käsen zu erklären, denn die Kühe müssen gemolken werden. Aber sie lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Conni hat das Käsen in den Schweizer Bergen gelernt und dann in den Schwarzwald gebracht. „Wenn ich im Schwarzwald bin, muss ich auch was Schwarzwälderisches machen“, dachte sie sich und entschied sich für Käse. Die Milch dafür bekommt sie von ihren 120 Kühen. Veredelt wird die handgeschöpfte Leckerei mit saisonalen Kräutern und Gewürzen aus biologischer Herkunft. Und ihr Blütenkäse sieht aus, wie er schmeckt: wunderbar!
Den Käse verkauft Conni in ihrem Unverpacktladen, in dem es viel mehr gibt als „nur“ Käse. Der Schwenkenhof liegt einsam, im Umland gibt es sehr wenig Infrastruktur. Und genau das macht Connis Laden zum Einkaufshotspot des Umlands. Während meines Besuchs dort war der Laden immer voll. Und Conni? Die steht mit leichtem Lächeln hinter der Theke und schneidet Käse. Und man sieht ihr an, wie viel Freude sie an dem hat, was sie tut. Das gilt nicht nur für den Laden, sondern für den ganzen Hof. Denn Entertainment gibt es auch auf dem Schwenkenhof: Bei ihrem Programm „KulturReich“ kann man mit Yoga und Qigong den Darmtrakt wieder ins Gleichgewicht bringen, falls sich die Laktose doch zu langsam abbaut. Und im Sommer kann man beim Scheunenkino Käsewürfel statt Popcorn knabbern. Ich entscheide mich aber für das kleine Gartencafé im Baumhausstil. Denn nach dem ganzen Käse ist mir ein bisschen nach Kaffee. Oder nach etwas Süßem. Denn meine anderen Geschmacksnerven fühlen sich langsam vernachlässigt.
Kleopatra im Schwarzwald
Um mal ein bisschen die Hirnwindungen anstelle des Magens zu füttern, geht es am nächsten Tag zu einer persönlichen Premiere für mich. Ich werde meinen ersten Käse herstellen. Dafür muss ich nicht in die Schweizer Berge, sondern kann einfach in Schönwald im Schwarzwald vorbeischauen. Dort steht das 403 Jahre alte Küferhäusle, wo müden Wanderern nicht nur mit einer deftigen Vesperplatte wieder Energie zugefüttert wird, sondern Inhaber Martin Dengler auch das Käsen lehrt. Ich werde einen sogenannten „Küferella“, einen Weichkäse nach Feta-Art machen. Martin Dengler ist ein gemütlicher Typ mit viel Käsewissen. Seine Leidenschaft führte ihn vom Hobby zum Beruf und im Allgäu schließlich zum Käsemeister.
Im Käseworkshop (pro Käsetopf und Person für 64,00 Euro, Voranmeldung erforderlich) lerne ich nicht nur, wann ich was genau wo einrühren muss, sondern auch viel über Molke im Speziellen. Früher ein unerwünschtes Nebenprodukt bei der Produktion, heute gesunder Allrounder. Man kann sie trinken oder darin baden wie Kleopatra. Martin hält auch Nischenwissen für mich bereit, mit dem ich künftig klugscheißen kann: Kleopatra hat nicht in Ziegenmilch gebadet, sondern in Molke. Denn die ist reich an Proteinen, Aminosäuren, Mineralien und Vitaminen. Nach meinem Workshop bin ich vielleicht immer noch sehr weit von der Käsemeisterin entfernt, aber ich halte meinen eigenen Küferella in der Hand. Und der schmeckt mir zu Hause sogar ganz gut. Rezepte gibt es nach dem Workshop und mit meinem neuen Nischenwissen melde ich mich direkt beim nächsten Kneipenquiz an.
Zwischen Käse und Kosmetik
Mit meinem frischen Käse in der Kühltasche geht es für mich weiter nach Hinterzarten zum Ospelehof. Was beim Ankommen ins Auge fällt: Hier steht ein Anwesen, wie ich es nicht schöner im Schwarzwald erwarten könnte. Holz, tiefgezogene Dächer, große Balkone, Geranien und hübsche Holzfenster. Leise dudelt die Titelmusik der Schwarzwaldklinik in meinem Hinterkopf und meine Fantasie macht einen kleinen Landschaftsflug über die Wiesen. Dieses idyllische Potenzial haben die Besitzer Martin und Jutta Braun genutzt und den seit 1901 in Familienbesitz befindlichen Hof mit viel Engagement und Einfallsreichtum breit aufgestellt. Ferienwohnungen, ein Bauernladen und natürlich … eine Käserei.
Eigene Rinder gibt es nicht, die Milch für ihre Molkereierzeugnisse wie Berg-, Schnitt-, Weich- und Frischkäse werden aus Partnerbetrieben angeliefert. Was nicht heißt, dass es auf dem Ospelehof keine Tiere gibt, aber Highlandrinder sind eben nicht zum Melken da. Auf dem Ospelehof geht das Thema Käse direkt noch einen Schritt weiter – wir erinnern uns: Kleopatra. Seit 2006 stellt Martin Braun unter einem hohen Anteil von Frischmolke Kosmetik her. Und die reicht von Cremes bis Badezusätzen. Ich stelle fest: Käse macht glücklich, Molke schön. Und gehe direkt mal im Hofladen auf Stöbertour.
Käse gut, alles gut
Zu guter Letzt reisen ich nach Endingen am Kaiserstuhl – in die Toskana des Schwarzwalds. Die Region am Kaiserstuhl gilt als die wärmste in Deutschland. Und ich fühle mich in dem kleinen hübschen Städtchen direkt wohl. Ein laues Lüftchen, hübsche Häuser, enge Gassen und ein Käsekleinod der anderen Art: das Käsereimuseum von Fridtjov Bauser. Und der erklärt nicht nur die Welt des Käses und erzählt seine Geschichte, sondern gibt auch Käseworkshops. Und das alles mit so viel Witz und Charme, dass jeder direkt merkt: Hier ist nicht nur viel Leidenschaft zum Thema Käse, sondern auch Wissen und kritisches Hinterfragen zum Thema Verbrauch und Konsum dabei. Seine Führungen sind ein bisschen interaktiv und auf jeden Fall kurzweilig. Als ich kurz nicht aufpasse, halte ich plötzlich ein Stückchen getrockneten Kälbermagen in der Hand und bekomme erklärt, wie daraus Naturlab für die Käseherstellung produziert wird. Aber keine Sorge: Es fühlt sich nicht so eklig an, wie es klingt.
Mit vollem Käseherz trete ich die Heimreise an. Zu Hause räume ich meinen selbst gemachten Küferella mit ein bisschen Stolz in den Kühlschrank. Dabei fällt mein Blick auf einen Kühlschrankmagneten, der mich schon lange begleitet: „Sie müssen ein Romantiker sein, um sich selbst, Ihr Geld und Ihre Zeit in Käse zu investieren.“ Das hat Anthony Bourdain mal gesagt. Und es ist, als wäre er dafür durch den pittoresken Südschwarzwald gereist.
Die Käseroute Südschwarzwald umfasst noch einige mehr Betriebe. Auf insgesamt 16 Stationen lässt es sich super durch allerlei Käsesorten probieren und nebenbei noch eine Menge Wissen anhäufen. Und das alles in schönster Kulisse.
Käsegenuss auf Sterneniveau: Tom Merkle ist nicht nur Genussbotschafter für das Land Baden-Württemberg, sondern tischt in seinem Restaurant Pfarrwirtschaft in Endingen einzigartige Köstlichkeiten aus regionalen Produkten mit modernem Touch auf. Käse ist auch dabei.