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Das Besucherzentrum Arche Nebra im Sonnenuntergang, am Ort, an dem die Himmelsscheibe gefunden wurde
Falko Matte

Dem Himmel so nah

Es war nicht immer so, dass man per App oder Wetterbericht über Sonnenschein und Regen in den kommenden Tagen und Wochen in Kenntnis gesetzt wurde. Früher brauchte es dafür fortschrittliche Technologie wie die berühmte Himmelsscheibe von Nebra. Dabei ist es nur einer Reihe von Zufällen zu verdanken, dass wir das Artefakt heute in Sachsen-Anhalt bewundern können. Findet auch funky-Redakteur Konrad.

Der perfekte Zeitpunkt

Jeden Morgen das gleiche: Mein Handy klingelt, raus aus den Federn. Bei der Klamottenwahl auch der Blick auf den Bildschirm: Was sagt die Wetterapp, Blouson oder Regenjacke? Wo genau die Sonne jetzt gerade aufgegangen ist, in welcher Mondphase wir uns befinden oder wo die Plejaden gerade stehen, darüber hingegen mache ich mir, man sehe es mir nach, eher selten Gedanken.

Doch noch bis vor gar nicht so langer Zeit war das korrekte Bestimmen der Jahreszeit und damit der Entscheidung, wann der richtige Zeitpunkt für Aussaat und Ernte gekommen ist, für unsere Vorfahren überlebenswichtig. Wer darüber Bescheid wusste, bestimmte über das Wohlergehen einer ganzen Gemeinschaft und hatte dementsprechend auch sehr viel Macht.

Krimi in Sachsen-Anhalt

Findige Kenner prähistorischer Leckerbissen werden es schon geahnt haben: Hier geht es um die Himmelsscheibe von Nebra. Dieser Sensationsfund wurde am 4. Juli 1999 von zwei Hobby-Archäologen mit nicht ganz lauteren Motiven gemacht. Mittels Metalldetektor brachten die beiden Männer nebst bronzezeitlichen Schwertern, Beilen und Bruchstücken von Armreifen auch eine kreisrunde Bronzeplatte mit goldenen Einlassungen darauf aus einem lange verschlossenen Grab ans Tageslicht.

Der Hortfund von Nebra, mit Himmelsscheibe, Schwertern und Beilen
LDA / Juraj Lipták

Anstatt nun aber in bester Indiana-Jones-Manier den Fund ins nächste Museum zu verfrachten, verscherbelten die beiden Sondengänger die Himmelsscheibe mitsamt Hortfund für geradezu läppische 31.000 Deutsche Mark (die Älteren erinnern sich) an einen Kölner Händler. Nach geltendem Recht gehört der Fund aber eigentlich dem Land Sachsen-Anhalt, sodass die Liste interessierter Käufer recht bald erheblich kürzer wurde. Die Himmelsscheibe und der gesamte Hortfund wurden schließlich, nach beinahe dreijähriger Odyssee, in einer filmreifen Undercover-Aktion sichergestellt, Hehler und Raubgräber dingfest gemacht und ein Jahr später amtlich verurteilt.

Bronzezeitliches Know-how

Ende gut, alles gut. Die Scheibe konnte endlich angemessen behandelt und untersucht werden. Gut 4000 Jahre hat der Diskus auf dem Buckel, seine Herstellung fällt damit in die Bronzezeit. Bis heute ist die Himmelsscheibe von Nebra damit die wohl älteste Darstellung des Himmels. Sonne, Mond und Sterne – unter anderem die Plejaden – in trauter Einsamkeit vereint. Und als ob das noch nicht beeindruckend genug wäre, lassen sich mit dem Edeldiskus und entsprechendem Know-how auch noch vier äußerst wichtige Tage im Jahr bestimmen: die Sommer- und Wintersonnenwende sowie die Tagundnachtgleiche zu Frühlings- und Herbstanfang. Da wären wir wieder beim Erntejahr.

Der Bestattete dürfte also ein ziemlich hohes Tier gewesen sein. Sonst wäre er wohl kaum mit diesem Artefakt und einer amtlichen Waffen- und Schmucksammlung begraben worden. Da muss ich ehrlich mit mir sein: Über das Wohlergehen meiner Erntegemeinschaft bestimme ich (zum Glück) nicht. Dafür liegen in meiner gut gepolsterten Ruhestätte aber auch keine hartkantigen Bronzeschmuckstücke rum. Wenn da nur nicht immer dieser Wecker wäre…

Die Himmelsscheibe mit Hortfund ist heute im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale) ausgestellt. In Nebra selbst lohnt sich das preisgekrönte Besuchszentrum Arche Nebra, in dem ihr einen eindrücklichen Einblick in das Leben der Menschen der Bronzezeit.