Würde man Potsdam wie ein Kleidungsstück betrachten, hätte die Stadt ein Seidencape an – leicht und glänzend. Selbst wer dem Barock entkommen will, trifft unweigerlich auf ein Schloss, einen goldenen Torbogen – oder eine FKK-Badestelle mit Palaisblick. Unsere fünf Geheimtipps in Potsdam führen zu Orten, die das Besondere feiern – nicht das Perfekte. Und zeigen, warum man Potsdam nicht nur sehen, sondern fühlen, riechen und schmecken muss.
Kulinarisches Comeback in der Villa Kellermann
Nach dem Aus des Gourmetrestaurants in Günther Jauchs „Villa Kellermann“ wurde es still am Heiligen See. Doch seit Anfang des Jahres haucht Gabriele Höft dem geschichtsträchtigen Haus neues Leben ein: Mit dem Höfts setzt sie auf ein neues Konzept. „Ich wollte einen Ort schaffen, an dem man sich geborgen fühlt. Wie bei Oma – nur schöner“, sagt Gabi Höft. Auf der Terrasse serviert sie Rote Bete mit Rosenkohl und Stampfkartoffeln – bodenständig, mit scharfer Kokossauce aber überraschend exotisch. Beim Kellermann-Salat mit Mango, Avocado, Entenbrust und Himbeer-Balsam verschmelzen saisonale Frische und Kreativität. Statt Sterneküche gibt es jetzt Klassiker mit Pfiff, eine entspannte Atmosphäre – und einen Blick, der bleibt: über den Heiligen See zum Marmorpalais im Neuen Garten.
Villa Kellermann, Mangerstraße 34, hier geht’s zur Website

Glanz und Gloria am Heiligen See
Wer die Villa Kellermann verlässt, tritt hinaus in die Hamptons Brandenburgs: Villen, soweit das Auge reicht. Der vier Kilometer lange Rundweg dauert rund eine Stunde – mit Pausen und kleinen Umwegen etwas länger. Die Entschleunigung aus der Villa Kellermann setzt sich fort: In Potsdam wird flaniert, nicht gehetzt. Der Weg führt vorbei am Marmorpalais und Schloss Cecilienhof, einst Schauplatz der Potsdamer Konferenz – mit akkurat geschnittenen Hecken und Apfelstrudel zur Stärkung. Nach so viel Gloria erreichen wir den FKK-Strand am Heiligen See, ein Überbleibsel aus DDR-Zeiten. Nacktbaden als Ausdruck von Freiheit ist hier kein Tabu, sondern Teil der gelebten Tradition.

Ein Hauch Havanna bei Buena Vida Coffee Roasters
Am Bassinplatz, gegenüber der St.-Peter-und-Paul-Kirche, liegt das „Buena Vida Coffee Roasters“ – ein Café wie ein Kurzurlaub. Hinter Backstein versteckt sich eine Art liebevoll gestaltetes karibisches Wohnzimmer mit türkisen Fliesen, Pflanzen, Siebträgern und richtig gutem Kaffee. Nussecken, Zitronentarte und Brownie sind hausgemacht, der Cappuccino kommt mit Herz in der Crema. Kaffee ist hier Haltung: Inhaber Patrick Berger röstet Bohnen aus direktem Handel, oft über Fair-Trade-Niveau bezahlt. Nebenan beginnt das Holländische Viertel – Kopfstein, Giebelhäuser, kleine Läden, das berühmte Käsekuchencafé. Wer mag, nimmt sich das Lebensgefühl mit: als Bohne oder gemahlen mit Noten von dunkler Schokolade, Honig oder Blaubeere für zu Hause.
Buena Vida Coffee Roasters, Am Bassin 7, hier geht’s zur Website
Buchhandlung Wist – Neugier in Neon und Papier
„Neugier“ steht in leuchtendem Blau über der Tür – wer die „Buchhandlung Wist“ betritt, tritt ein in eine Welt fernab von Bestsellerlisten und Geschenkartikeln. Holzregale bis unter die Decke, das Rascheln von Seiten, der Geruch von Papier: Hier geht es nicht um Trends, sondern um Haltung. Der Buchhändler empfiehlt nicht, was sich gut verkauft, sondern was wirklich berührt – oft signiert, immer persönlich. Judith Hermann, Christoph Ransmayr oder Herta Müller haben hier gelesen – und ihre Spuren hinterlassen. Nur ein paar Schritte entfernt wuselt die Brandenburger Straße – mit französischem Boulevard-Charme, feinen Läden und filmischen Granitplatten im Pflaster. Und mittendrin diese verwinkelte, stille Buchhandlung. Vielleicht nimmt man beim Hinausgehen Thomas Braschs „Du musst gegen den Wind laufen“ mit – ein Satz wie gemacht für diese Stadt, in der Geschichte und Aufbruch so eng beieinander liegen.
Buchhandlung Wist, Dortustraße 17, hier geht’s zur Website

Barberini: Bitte verzaubern!
Am späten Nachmittag werden die Schatten länger, die Kajaks gleiten lautlos über die Alte Fahrt – und wir stehen vor dem „Museum Barberini“. Ein Palast, der aussieht, als sei er schon immer da gewesen. Ist er aber nicht. Kunstmäzen Hasso Plattner hat ihm neues Leben eingehaucht – mit barocker Fassade und moderner Seele. Bei den Impressionisten lässt beeindruckt besonders Renoirs „Waldweg“. Weil es flimmert, zwischen Licht und Schatten und aussieht, als führe es durch den Neuen Garten bis zum Heiligen See. Dieses Bild ist irgendwie Potsdam. Nebenan hängen Monet, Liebermann, bald auch Pissarro – Impressionismus trifft Havellicht. Nur wenige Minuten entfernt: das Minsk, einst DDR-Panorama-Restaurant, heute Museum für Ostmoderne. Wer Kontraste liebt, geht vom Palast zum Plattenbau, von Renoir zu Ruth Wolf-Rehfeldt.
Museum Barberini, Humboldtstraße 5-6, hier geht’s zur Website
