Unser Redakteur Konrad, da gibt es nichts zu beschönigen, trinkt ganz gerne mal eine erfrischende Gerstenkaltschale und hat ein Faible für alte Gemäuer. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis es ihn nach Bamberg verschlägt. Die Hauptstadt des Biers – und ein echtes Barockjuwel. Obwohl: Was schimmert denn da unter der Fassade durch?
„Entschuldigung, wir würden hier gerne ein paar Bier trinken.“ Gerade, als ich im Gespräch mit Kris Emmerling sitze, betritt eine Gruppe sichtlich gut gelaunter junger Männer den Hopfengarten. Es ist ein sonniger Samstag, die Uhr zeigt halb elf. Beste Zeit für einen Frühschoppen. „Ja sicher. Setzt euch schon mal, es ist gleich jemand bei euch“, verweist Kris die Truppe auf eine der großen, hölzernen Sitzensembles, die hier im übergrünen Garten von Bambergs kleinster Brauerei zum stundenlangen Verweilen und ja, Biertrinken einladen.


Man muss schon wissen, wonach man sucht, wenn man in den Hopfengarten möchte. Von der Straße aus gesehen sieht die Brauerei nämlich recht unscheinbar aus. Der Eingang ist ein Liefertor, wie es auch zu einem Gebrauchtwarencenter oder einer Schreinerei führen könnte. Nur ein Schild verweist auf den Hopfengarten. Umso größer die Überraschung, als ich durch das Tor gehe und erst einmal von knallbunten Murals an den Wänden links und rechts begrüßt werde, bevor ich mich durch einen schmalen Gang, der auf beiden Seiten von Gewächshäusern gebildet wird, in den eigentlichen Garten begebe.
Brauerei mit Garten
Das große Areal wird schon seit mehreren Generationen von der Familie bewirtschaftet. Aber Kris ist es, der den Hopfen einbrachte. „Das Bierbrauen war anfangs eher so ein Hobby. Aber als geborener Gärtner war für mich natürlich klar: Wo es geht, will ich eigene Zutaten anbauen.“ Gesagt, getan. Und so wachsen die unverkennbaren Kletterpflanzen in dem Familienbetrieb mittlerweile meterhoch. „Irgendwann war es so viel, dass wir uns um Erntehilfe Gedanken machen mussten“, erzählt Kris. „Da sind wir dann auf das Hopfenzupferfest gekommen. Ein Kilo zupfen, ein Seidla aufs Haus. Das machen wir mittlerweile seit zehn Jahren.“ Seidla nennt man übrigens die Halbe in Franken.


Der Hopfengarten ist überhaupt eine Rundum-Bier-Erlebniswelt. Gleich am Eingang geht eine Tür zum Verkauf ab. Bis zu 15 Sorten stehen zur Auswahl, manche nur saisonal, alle mit Liebe lokal gebraut und von Hand abgefüllt. Da kommt auch schon mal eine Carolina-Reaper-Chili mit in den Brauprozess – natürlich auch direkt vor Ort angebaut. Weiter hinten warten ein Schankraum im Gewächshaus, die eigentliche Produktionsstätte und der weite Garten, in dem man vom Hopfen überdacht die frischen Biere genießen kann. Und neben dem Frühschoppen können echte Biergourmets sich auch zu Tastings und einem Hopfen- und Bierseminar anmelden oder sogar in einem Tagesworkshop selbst zum Braumeister werden.
Wohlgemerkt: Ich bin hier nicht in irgendeinem Vorort unterwegs, sondern mitten in der Stadt. Zwar nicht im historischen Zentrum, aber gleich nördlich des Bamberger Bahnhofs, keine fünf Minuten zu Fuß. Dass sich hier, hinter so einer unscheinbaren Fassade, ein beachtlicher Garten erstreckt, ist eine historische Besonderheit. In Bamberg gibt es ein ganzes Viertel, die sogenannte Gärtnerstadt, geprägt von den rückseitigen Anbauflächen, die von der Straße aus fast nie zu erkennen sind. Und das sind echte Höfe und nicht nur zwei Quadratmeter Gemüsebeet.
Gotik oder Barock?
„Diese Art der innerstädtischen Landwirtschaft, die im Mittelalter aufgekommen ist, gab es in vielen Städten in Deutschland“, weiß die Gästeführerin Doris Maaß. „Andernorts sind sie aber durch weitere Bebauung, Infrastrukturprojekte und die Industrialisierung verschwunden.“ Nicht so in Bamberg, wo viele der Gärten noch erhalten sind und einige im Rahmen einer Tour auch noch besichtigt werden können.

Die Gärtnerstadt ist daher auch Teil des Ensembles geworden, das die Unesco bereits 1993 zum Weltkulturerbe ausgezeichnet hat. Ebenfalls dazu zählen die Inselstadt – mitten im linken Arm der Regnitz, die Bamberg doppelt durchschneidet – sowie die Bergstadt mitsamt Domberg, der älteste Stadtteil. In diesem Alter liegt auch der Grund für die Welterbe-Auszeichnung. Aber Moment mal, ich sehe hier ja nur barocke Gebäude!? Die sind zwar auch sehr schick und historisch bedeutsam, keine Frage. Aber doch nicht einzigartig?

„Tatsächlich wirkt die Bamberger Altstadt im ersten Moment wie eine Barockstadt“, führt Gästeführerin Maaß aus. „Erst beim Blick nach oben zeigt sich das Geheimnis. Denn die meisten Dächer offenbaren die gotische Bauweise, mit denen die Häuser hier errichtet worden sind.“ Vom Domberg aus wird mir das ganze Ausmaß dieser Fassadentrickserei bewusst. Die Dächer der Altstadt laufen größtenteils spitz zu und weisen sich damit als mittelalterliche Fachwerkbauten aus. Auch beim Gang durch die Stadt fallen sie mir jetzt ins Auge. Die barocken Fronten sind „nur“ aufgesetzt, im Nachhinein angebracht.
Sommer genießen in Bamberg
Aber was hat es damit auf sich? Auch darauf weiß Maaß Antwort. „Im späten 17. Jahrhundert wurde Lothar Franz von Schönborn Fürstbischof von Bamberg. Und der fand das mittelalterliche Aussehen der Stadt überhaupt nicht zeitgemäß. Also versprach er allen Bürgern, die bereit waren, ihr Haus abzureißen und im damals zeitgenössischen Barockstil neu zu errichteten, eine saftige Steuerbefreiung. Die Bamberger waren aber etwas zögerlich und nur wenige gingen auf das Angebot ein. Also erweiterte Lothar das Angebot – wenn auch mit reduzierter Befreiung – auf eine barocke Fassadenverkleidung. Und so ist die Bamberger Altstadt heute eine mittelalterliche Stadt mit gotischen Häusern, aber mit barockem Antlitz.“


Ausgestattet mit diesem Wissen macht es wirklich große Freude, in der Stadt auf Entdeckungstour zu gehen. Tatsächlich finden sich Baustile von der Romanik bis zum Barock in Bamberg. Dabei habe ich aber nie das Gefühl, durch eine Museumsstadt unter der Käseglocke zu laufen. Nicht zuletzt durch die Universität und das damit verbundene studentische Leben ist gerade an sonnigen Sommertagen reichlich los in der Altstadt. Kein Wunder, die Straßen sind gesäumt mit Restaurants, Cafés und Brauhäusern – immer mit dem Blick auf die außergewöhnlich gut erhaltenen Häuser.

Ein Seidla in Ehren
In eines davon kehre ich zum Abschluss meines kleinen Bamberg-Ausflugs ein. Nämlich das Brauhaus Schlenkerla. Das ist ausnahmsweise mal nicht barock verputzt, sondern präsentiert sich in freundlich-heller Fachwerkpracht. Noch bevor ich eintrete, fällt mir auf, dass an diesem Sommerabend reger Verkehr am Eingang herrscht. Nach einem Blick ins Innere weiß ich auch, warum: Noch bevor es in den eigentlichen Schankraum geht, können sich die Gäste an einem eigens dafür vorgesehenen Schalter im Flur ein Seidla zum Mitnehmen bestellen. Wer jetzt an Pappbecher denkt, liegt falsch. Das Ganze geht auf Vertrauensbasis im Glas. Und so erklärt sich auch die lebhafte, bunt gemischte Traube an Gästen, die vor dem Brauhaus ihr Bier in der Abendsonne genießen.


Jetzt aber rein in die gute Stube, das will ich jetzt auch probieren. Ruckzuck sitze ich an einem der urigen Holztische, durch die großen Fenster fällt erstaunlich viel Licht in das altehrwürdige Gemäuer – und schon steht auch schon ein Seidla Rauchbier vor mir. Moment mal, Rauchbier? Kurz geschnuppert und genippt und tatsächlich. Das dunkle, frisch gezapfte Malzgetränk schmeckt wie frisch aus der Räucherkammer. Ungewöhnlich, ja, aber lecker. Aber wie kommt denn der Rauch in das Bier?
Hauptstadt des Bieres?
„Früher haben wohl alle europäischen Biere so nach Rauch geschmeckt“, erklärt mir Matthias Trum, Besitzer und Braumeister in sechster Generation im Schlenkerla. „Der Rauchgeschmack entsteht durch das traditionelle Trocknen des Malzes über dem Holzfeuer. Der aufsteigende Rauch zieht ins Malz ein und verleiht dem Bier so seine Note.“ Erst durch moderne Produktionsmethoden während der Industrialisierung war es möglich, auch Biere ohne den Rauchbeigeschmack herzustellen. In Bamberg aber ist man bei den alten Methoden geblieben, sodass der Rauchgeschmack heute ein Alleinstellungsmerkmal ist.
Jetzt will ich aber doch noch wissen, warum es denn in Bamberg so viele Brauereien gibt. Auch darauf kennt Trum die Antwort. „In Bamberg gab es keine Bierbannmeile. Dadurch ist schon früh eine große Brauereivielfalt entstanden, die sich bis heute erhalten hat.“ Zwölf Brauereien gibt es heute noch in Bamberg, da kommt eine Brauerei auf gut 6.500 Einwohner. Zum Vergleich: In Köln sind es 25.000. Wer sich also durch alle Biere durchprobieren will, hat gut was zu tun – und die meisten gibt es nur vor Ort zu kaufen. Vielleicht sind mehrere Bamberg-Ausflüge für die Leber etwas schonender. Wobei, auch da weiß Braumeister Trum Rat. „Mittlerweile produzieren wir auch ein Leichtbier, das Hansla. Mit 0,9 Prozent, wie es früher üblich war.“ Schneller Geschmackstest, ich bin überzeugt. Für die mehr als 350 anderen Biersorten, die es in Bamberg gibt, muss ich wohl noch einmal wiederkommen. Bis dahin: Prost!