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Eine Frau mittleren Alters mit rötlichem Haar und schwarzer Freizeitkleidung steht, die Arme verschränkt, in einem Atelier. Sie blickt direkt in die Kamera. Links von ihr ein Arbeitstisch mit breiten, flachen Schubladen, rechts ein Tisch, über dessen Rand ein blauer Teppich hängt. Die Wände sind mit Spanholz verkleidet, der Boden mit blauen Linoleumplatten ausgelegt.
Gertrud Fahr im Studio "Hille Tieden" | Foto: TMV / Petermann

Auf dem Teppich bleiben: Tradition trifft Küstenstyle

In Vorpommern lebt eine fast vergessene Tradition wieder auf – und zwar nicht im Museum, sondern am Strand. Die berühmten Fischerteppiche, einst von Küstenfischern in mühevoller Handarbeit geknüpft, feiern in Form moderner Strandteppiche aus Biobaumwolle ihr Comeback. Klare Formen, schlichte Farben und ein Hauch Seeluft holen ein Stück maritimer Geschichte zurück in den Alltag.

Immaterielles Kulturerbe Deutschlands

In Vorpommern hat eine fast hundertjährige Handwerkskunst frischen Wind bekommen: das Knüpfen von Fischerteppichen. Heute entstehen aus dieser Tradition Strandteppiche, die nicht nur praktisch sind, sondern auch ein besonders hübsches Design haben. Sie messen 190 x 90 Zentimeter, bestehen aus Biobaumwolle und werden in einer Auflage von rund 1.000 Stück pro Jahr gefertigt.

Gegründet haben die Initiative „Hille Tieden“ – Plattdeutsch für „Helle Zeiten“ – im Jahr 2019 Sebastian Schmidt und der Grafikdesignerin Gertrud Fahr. Ihr Ziel: den Fischerteppich vor dem Verschwinden bewahren. Und der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. 2023 wurden die vorpommerschen Fischerteppiche in die Liste des immateriellen Kulturerbes Deutschlands aufgenommen.

Erste Fischerteppiche gab’s in den 1920ern

Die Geschichte der Fischerteppiche beginnt in den 1920er-Jahren, als sich die Fischer in Orten wie Freest, Lubmin, Spandowerhagen und Greifswald neue Einkommensmöglichkeiten suchen mussten. Die Idee dazu kam vom Wiener Teppichgestalter Rudolf Stundl und seiner Frau Frieda, die 1928 die ersten geometrischen Muster entwarfen. Quadrate, Kreise und klare Linien prägten ihre Entwürfe – schlicht, aber unverwechselbar.

2019 gab es nur einige wenige ältere Frauen in der Region, die die Kunst des Knüpfens noch beherrschten. Mit den Teppichen, die im Siebdruckverfahren hergestellt werden, knüpft „Hille Tieden“ an diese Geschichte an – im wahrsten Sinne des Wortes.

Nahaufname eines roten Webteppichs; mittig im Muster ein Kreis, von dem in acht Strahlen Fischschwanz- oder Ährenähnliche Muster abgehen. Von hinten scheint etwas Licht hindurch
Foto: TMV / Petermann

Die heutigen Designs bleiben der klaren Formsprache treu. „Es gibt keine verspielten Muster, alles ist sachlich und abstrakt“, erklärt Fahr. Farblich dominieren einfarbige Varianten, bewusst ohne bunte Vielfalt. Die Motive – darunter „Tanzende Fische“, „Stranddistel“ und „Küstenwald“ – greifen Elemente der Küstenlandschaft auf und erscheinen jedes Jahr in ein bis zwei neuen Varianten.

Kreativkurse und Pfingstevent

„Hille Tieden“ ist mehr als eine Produktionsstätte. Die Initiative veranstaltet Kreativ-Workshops, in denen Teilnehmende eigene Muster entwickeln, sowie Knüpfkurse für Fischerteppiche. Ein besonderer Termin ist das Pfingstwochenende in Freest, wenn die Fischerteppichtage stattfinden. Hier lässt sich die Herstellung der traditionellen Stücke ebenso erleben wie die frischen Designs der Strandteppiche.

Vor einem hüfthohen, blauen Werkschrank lehnen zwei Siebdruckplatten. Darauf sind weiße Muster erkennbar, die Platten selbst wurden mit blauer Farbe bestrichen, der Rand wiederum jeweils in kräftigem Rot.
Foto: TMV / Petermann

Verkauft werden die Tücher direkt oder über kleine, ausgewählte Läden in der Region. Sämtliche Erlöse fließen in gemeinnützige Projekte – von der Umweltbildung bis zur Förderung kreativer Handarbeit.

👉 Weitere Infos gibt’s auf der Website von Hille Tieden.