Der Herbst mag überwiegend grau sein. Aber er ist alles andere als farblos. Zumindest im Ahrtal, dessen steile Hänge seit Generationen dicht mit Rebstöcken bepflanzt sind. Die Pflanzen bringen wunderbare Weine hervor, überwiegend Spätburgunder und Frühburgunder. Wenn die Trauben geerntet sind und in den Kellern zu einem mutmaßlich mehr als gutem Jahrgang verarbeitet werden, steht der optische Höhepunkt noch bevor. Wandern im Ahrtal? Das lohnt sich nicht nur im goldenen Oktober.
Goldener Oktober
Das Laub der Reben verfärbt sich intensiv. Doch es gibt sich weniger gleichmäßig als die welkenden Blätter andere Pflanzen. In den vergangenen Tagen erreichte der Indian Summer im Weinberg seinen Höhepunkt. Überall zwischen Bad Neuenahr und Altenahr leuchten die Blätter in einer erstaunlich breiten Palette an Farben. Manche sind feurig rot, andere goldgelb. Dazwischen finden sich immer wieder Blätter, die noch grüne Farbpartikel besitzen.

Der Anblick wirkt unwahrscheinlich. Das trifft sowohl auf Tage mit strahlendem Sonnenschein zu. Aber eben auch auf trübe Stunden. Ja, es lassen sich sogar dafür Argumente finden, das absterbende Laub für besonders anmutig zu halten, wenn die Wolken tief hängen und es jederzeit zu regnen beginnen kann.

Dabei können wir die Weingärten aus nächster Nähe beobachten, denn der Rotweinwanderweg führt auf verschlungenen Pfaden durch die Berge. Vom Frühjahr über den Sommer bis zum goldenen Oktober versucht sich eine enorme Menge sportlicher Touristen an dem 35 Kilometer langen Pfad. Dessen Bewältigung ist nicht zu anstrengend. Die Höhenunterschiede reichen lediglich aus, um Spaziergänger mit schlechtem Schuhwerk abzuschrecken.

Auch der graue November hat seine Vorzüge
Im November aber, wenn der Kater des letzten Weinfestes ausgestanden ist und nur noch jene Trauben hängen geblieben sind, die in der Hoffnung auf frühen Frost zu Spekulationsobjekten für Eiswein reifen, in diesem November kann es recht einsam zugehen in den Hügeln. Der richtige Moment für meditative Gedanken. Vielleicht über den bevorstehenden Winter, oder einfach über all die merkwürdigen Umstände, die 2020 zu einem unvergleichlichen Jahr gemacht haben.
Ein Jahr, das von seinen Symptomen und Auswirkungen hoffentlich einmalig ist, von dem aber vielleicht doch etwas Positives hängen bleibt. Freude an den einfachen Dingen, so wie dem Herbstlaub im Ahrtal, das bei näherem Hinsehen auf jeder Parzelle eine andere Farbe angenommen hat. Weil es sich um verschiedene Rebsorten handelt, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten welken und nicht alle mit demselben Maß an Sonneinstrahlung bedacht werden.
Wanderlust und Heiterkeit im Ahrtal
In einer Kurve begegnen uns ein paar junge Leute mit farbenfrohen Regenjacken. Abiturienten oder Studenten, die mit halbvollen Humpen durch die Gegend wandern und dabei Heiterkeit verbreiten. Es ist eine schöne Beschäftigung: Hier eine Straußenwirtschaft besuchen, da eine Flasche zur Verkostung mitnehmen, um sie bereits auf der nächsten Serpentine zu entkorken.

Nach vollbrachter körperlicher Anstrengung geht es ins Hotel. Oder aber mit dem Zug in die nächste Stadt. Die Ahrtalbahn schließlich verkehrt stündlich auf der Strecke nach Bonn – und von dort in alle größeren Städte Deutschlands. Sei der November auch noch so grau.